Experte Baufachmann Steffen Marx zum Einsturz des C-Teils der Carolabrücke in Dresden: Sanierung kam viel zu spät
von Dr.h.c. Bernhard Heck
Dass Schäden an Brücken mit Spannbeton nach 30 Jahren auffällig werden, ist schon lange bekannt. Man müsse Brücken regelmäßig abdichten, reinigen und den Korrosionsschutz erneuern, so Marx. Ansonsten müsse nach spätestens 30 Jahren mit Schäden gerechnet werden, deren Behebung teurer werde, als eine regelmäßige Wartung. Dass der Stahl im Innern der Brücke teilweise rostete, führt Marx auf eine Chlorid-Reaktion zurück – etwa durch eindringende Streusalzlösung. Untersuchungen ergaben ferner, dass etwa 30 bis 40 Prozent des Stahls bereits beim Einbau mutmaßlich Schäden aufwies – etwa kleinere und kaum sichtbare Anrisse. Dabei untersucht Baufachmann Steffen Marx nach der Ursache für den Einsturz eines Teils der Carolabrücke. Schon am ersten Tag hat er sichtbar gebrochene Stahlteile gesichert, bevor sie im Regen Rost ansetzen konnten. Seine Theorie: Eine späte Wartung und eindringendes Wasser mit Streusalz-Rückständen haben wohl zum Einsturz eines Brückenzuges geführt. Dabei wird der Brückenzug B einer der beiden verbliebenen Brückenzüge sein, der nach Einschätzung des Experten auch nicht zu retten sein wird. Der Brückenzug B sei während des Einsturzes des Brückenzuges C außergewöhnlicher Belastung und Spannung ausgesetzt gewesen, da die Brückenteile miteinander verbunden waren.
Prof. Steffen Marx von der TU Dresden befasst sich seit dem Einsturz der Carolabrücke mit der Ursachenforschung. Sein Fazit: Die Sanierungsmaßnahmen der Brücke seien viel zu spät durchgeführt worden. Außerdem sei eine Änderung der Tragstruktur nötig gewesen, sagte Marx mit Blick auf die beiden bestehenden Überbauten. Die hätten nur einen neuen Anstrich bekommen. Das sei so, als würde man lange Zeit die Farbe für den Anstrich des Gartenzauns sparen wollen und ihn dann anstreichen, wenn der innerlich vergammelt ist.
Zum Zustand des Brückenzugs A wollte sich Marx noch nicht festlegen und verwies er beim n der Bau-Ausschuss Mitglieder auf weitere Untersuchungen. Eine zeitnahe Freigabe schließt er auf Monate aber aus. Marx appellierte an alle Experten und auch die Prüfer des Brückenzuges A über den möglichen Abriss der gesamten Carolabrücke nicht leichtfertig zu entscheiden.
Marx verweist darauf, dass der Neubau der drei Brückenzüge mit schätzungsweise insgesamt 90-100 Millionen Euro zu Buche schlagen würde. Deshalb werde nicht leichtfertig über einen Abriss entschieden. Mit magnetischen Prüfverfahren wollen die Wissenschaftler den nicht zugänglichen Stahl in den noch stehenden Brückenteilen untersuchen, um dessen Zustand und eventuelle Schädigungen zu beurteilen. Anfang Dezember könnten erste Ergebnisse vorliegen, hieß es von Seiten Marx. Interessant seine These zu den drei Brückenzügen A, B und C.
Grundsätzlich sei die bisherige Belastung des eingestürzten Brückenzuges (Brückenzug C) mit den Straßenbahngleisen höher belastet gewesen als die der beiden anderen Straßenbrücken, erläuterte Marx. Die Straßenbahnschienen waren direkt mit dem Chlorid-Befall der Spannbetonglieder der Brücke verbunden, sodass sich die Kräfte von fahrenden Bahnen dadurch direkt auf die Brücke auswirkten. Die Asphaltschicht der Straßenbrücken habe hingegen den Beton geschützt.
Derweil scheint die Debatte über Sanierung von Brücken in Berlin angekommen zu sein. Mehrere sächsische Bundestagsabgeordnete hatten für den Mittwoch, 9. Oktober, im Mittagsturnus zu einem fraktionsübergreifenden Austausch Bundestagsabgeordnete eingeladen, bei dem Experte Marx über seine Erkenntnisse sprach. unterstützt wurde er von Dresdens Baubürgermeister Stephan Kühn der über den Sachstand zur Brücke berichtete. Eine der zentrale Fragen war wohl, ob und wie Prüfmethoden angepasst werden müssen, um den Sanierungsbedarf und die Einsturzgefahr von Spannbeton-Brücken*(siehe Einschub) frühzeitig zu erkennen.
Brücken aus den 1960er- bis 1980er-Jahren zeigen keine Risse
Brückenbaufachmann Marx verweist auf die Bauweise von Stahlbetonbrücken in den 1960er- bis 1980er-Jahren, die sich in der DDR und in der BRD geähnelt hätten. Man habe seinerzeit beim Brückenbau auf Stahl mit besonderer Festigkeit als Haupteigenschaft gesetzt. Darunter leide die Dehnungsfähigkeit bei steigender Empfindlichkeit gegen äußere Einwirkungen. Fachleute sprechen von „Spannungsrisskorrosionsgefahr“. Heutige Betonbrücken seien zudem so konstruiert, dass etwaige Schäden frühzeitig durch Risse sichtbar werden. Bei älteren Brücken sei das nicht der Fall, weshalb die Carolabrücke plötzlich und ohne Vorwarnung zusammenbrach bleibe für ihn noch immer ein noch zu aufzulösendes Rätsel.
EINSCHUB „Erklärung zum Spannverfahren für Stahleinlagen. Die stark federnde“ Vorspannung mit vor gedehnten Stahleinlagen bleibt trotz der Volumenverkürzung des Betons infolge Kriechens und Schwindens weitgehend erhalten. Man verwendet dazu hochfeste Stahleinlagen. Sie bestehen aus Drähten, Litzen oder Stangen. Drähte und Litzen werden meistens zu so genannten Spannkabeln zusammengefasst. Diese Stähle sind, auf die Festigkeit bezogen, wirtschaftlicher als normaler Betonstahl. Da das Einbetonieren einer hochfesten Bewehrung weniger Platz erfordert, lassen sich wegen des entsprechend schlankeren und leichteren Betonquerschnittes weitere Einsparungen erzielen. Die Herstellung weitgespannter Tragwerke ist aus wirtschaftlichen und technischen Gründen praktisch nur mit Vorspannung möglich. Grundsätzlich werden zwei verschiedene Spannverfahren unterschieden: Die Spannbettvorspannung und die Vorspannung des erhärteten Betons“.
Quelle: Stadt Dresden, Presse Hamburg/Heck
Fotos: Der Abteilungsleiter Brücken der Stadt Dresden Holger Kalbe, bemüht sich mit kompetenten Aussagen, die Unfallursache mitzuuntersuchen.
Die Abbrucharbeiten auf städtischer Seite gehen mit Tempo und Spezialmaschinen gut voran. © Presse Hamburg
