Im Blickpunkt die Folgen des Einsturzes der Carolabrücke- Deutscher Brückenbaupreis- und 34. Dresdner Brückenbausymposium – 1800 Teilnehmer
Auch in seiner 34. Auflage des Dresdner Brückenbausymposiums hat sich die zweitägige Veranstaltung als eine der wichtigsten Fachveranstaltungen im Bereich des Brücken- und Ingenieurbaus etabliert. Die zahlreichen Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung kamen in der Messe Dresden zusammen, um neue Entwicklungen, innovative Lösungen und aktuelle Herausforderungen im Brückenbau zu diskutieren, mit einem hohen organisatorischen Aufwand sorgte die von der TU-Dresden veranstaltete Doppelveranstaltung für reibungslosen Ablauf.
Von Dr. h.c. Bernhard Heck
Ein besonderer Höhepunkt war die feierliche Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises 2025, die bereits am Vorabend vor den rund 1700 Teilnehmern stattfand. Preisträger 2025 in der Kategorie „Straßen- und Eisenbahnbrücken“ wurde die Oderbrücke Küstrin. Sie führt als 290 Meter lange 2 gleisige Durchlaufträgerbrücke über 4 Felder mit Netzwerkbogen mit fugenloser Verbandfahrbahnplatte über die Oder. Eine revolutionäre Technik für eine historische Verbindung von Deutschland nach Polen. „Die Küstriner Oderbrücke ist nicht nur ein ingenieurtechnisches Meisterwerk, sondern auch wirtschaftlich und in Punkto Nachhaltigkeit zukunftsweisend. Die innovative Bauweise eignet sich für große Stützweiten und sorgt für eine hohe Dauerhaftigkeit bei großer Leichtigkeit und Effizienz. Der Neubau ist modern, beeindruckend elegant und doch höchst leistungsfähig. Züge können das Bauwerk nun mit bis zu 120 Kilometern pro Stunde passieren“, begründete die Jury den Brückenpreis. Die gestalterische Qualität und technische Innovation machen die Oderbrücke Küstrin zu einer weiß strahlenden Landmarke in der Flusslandschaft, die eindrucksvoll das Zusammenwachsen Europas demonstriert. In der Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken“ bekam der Bastionskronenpfad Petersberg, Erfurt den begehrten Preis. Der Bastionskronenpfad ist eine Fußgängerbrücke auf der Zitadelle Petersberg in Erfurt und verbindet in 13,5 Meter Höhe mit einer, Stahlkonstruktion als Semi-integrale Brück mit abgewinkeltem Grundriss die Bastionen Kilian und Martin. Sie setzt der historischen Bausubstanz einen modernen Akzent entgegen und macht das Touristenziel auf neue Weise erlebbar. Die Brücke rekonstruiert den ehemaligen Mauerverlauf, folglich musste aufgrund des Winkelknicks ein untenliegendes Tragwerk mit minimierter Stützenanzahl entwickelt werden, was zudem die Straßenquerung freihält. Die Brücke ist ein Neubau vom Typ eines semi-integralen, im Grundriss geknickten, vierfeldrigen Durchlaufträgers, konstruiert als geschweißter Stahlhohlkastenquerschnitt. Der 3 Meter breite Überbau weist eine Regelbauhöhe von 55 cm auf und wölbt sich im Hauptfeld auf 1,00 m. Die Konstruktion folgt dem historischen Festungsmauerverlauf und überquert die Straße Lauentor, ohne den Verkehrsfluss zu beeinträchtigen. Die Bauausführung erfolgte als vorgefertigte Segmentkonstruktion, die erst auf der Baustelle eingehoben und final verschweißt wurde. Die beiden Sonderpreise für Denkmal und Nachhaltigkeit, gingen an das Chemnitzer Viadukt, von Steffen Oertel, vom Ingenieurbüro Krebs und Kiefer. Die stabile Stahkonstruktionsbrücke dominiert als eine zeitgemäße und nachhaltige Integration moderner Bauteile in das bestehende Tragwerk und wurde durch die kooperative und engagierte Leistung aller an Planung und Bau Beteiligten erreicht. mit der wegweisenden klugen Symbiose von Schönheit und Nachhaltigkeit., bekam die Neue Regenbrücke, Roding den Preis. In Anwesenheit des Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing wurden diese herausragenden Ingenieurleistungen im Brückenbau gewürdigt.
Am nächsten Tag bildete ein kombinierter Vortrag zu dem hochaktuellen Thema ältere Spannbetonbrücken zum Auftakt interessante Details.. Zu Beginn sprach Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bonn) zu den Herausforderungen bei deren Erhaltung. Im Anschluss berichtete Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx (TU Dresden, Institut für Massivbau) über den Einsturz der Carolabrücke Dresden und die daraus resultierenden Konsequenzen für den Brückenbau in Zukunft für die Brückenexperten. Ein praxisnaher Beitrag folgte von Christina Fritsch, M. Sc. (MKP GmbH, Weimar), die unter dem Titel „Messen statt Schätzen“ aktuelle Erfahrungen aus Bauwerksuntersuchungen präsentierte und erläuterte, wie reale Messwerte Berechnungsergebnisse beeinflussen können. Anschließend stellte Prof. Dr.-Ing. Martin Mensinger (TU München) aktuelle Forschungsergebnisse zu bruchmechanischen Ansätzen für die sichere Betriebszeitabschätzung alter stählerner Bahnbrücken vor. Beim Umgang mit unserem Brückenbestand gewinnt das Thema Monitoring rasant an Bedeutung. Einen innovativen Ansatz zur Brückenüberwachung – nämlich mit Hilfe von Satellitendaten und faseroptischen Sensoren – stellten DI Dr. Dominik Prammer (ASFINAG Bau Management GmbH, Wien) und Dipl.-Ing., Dr.-Ing., MBA Vazul Boros (AIT Austrian Institute of Technology, Wien) vor.
Beim 34. DBBS wurde aber auch viel über den Brückenneubau gesprochen. Die Bandbreite war hier außerordentlich hoch. So thematisierte Dipl.-Ing. Bartlomiej Halaczek (Knight Architects, London) in seinem Vortrag „Brückenschlag zur Verkehrswende – warum Empathie im Ingenieurbau zählt“ die gesellschaftliche Verantwortung für Nachhaltigkeit im Brückenbau und rückte die seiner Meinung nach „anspruchsvollsten Brückennutzer“ – die Fußgänger – in den Mittelpunkt. Prof. Dr.-Ing. habil. Reinhard Pohl (TU Dresden) referierte zum Einfluss wasserbaulicher Faktoren, die bei Entwurf, Bau und Betrieb von Brücken beachtet werden müssen, bevor Dipl.-Ing. Andreas Keil (sbp SE, Stuttgart) die neue Donaubrücke Linz vorstellte, eine Hängebrücke, die er zu recht „als eine besondere Brücke für einen besonderen Ort“ bezeichnete. Zukunftsweisende Ideen zum modularen Bauen mit hohem Vorfertigungsrad stellten Prof. Dr.-Ing. Holger Flederer und Prof. Dr.-Ing. Thomas Bösche (HTW Dresden) und .Univ. Prof. em. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. Johann Kollegger und Dipl.-Ing. Franz Untermarzoner (TU Wien) vor. Sie präsentierten verschiedene Konzepte, konkret wie man den schnellen Ersatz von Straßenbrücken realisiert. Anhand eines realen Beispiels wurde zudem die problemlose Demontage eines kompletten Brückenbauwerks demonstriert. Die Gäste aus Wien gaben spannende Einblicke in die Fortschritte, die in den vergangenen Jahren bei der Weiterentwicklung des LT-Brückenbauverfahrens gemacht wurden. Vorträge über den Stand der Planung eines Brückenbau-Großprojekts in Hamburg – dem Ersatzneubau der Eisenbahnüberführung Süderelbe – (Dipl.-Ing. Stefanie Heser, DB InfraGO AG, Hamburg), über den Entwurf der Ilmenaubrücke Lüneburg unter Einbeziehung neuer Regelungen der BEM-ING (Dipl.-Ing. Thomas Bussler von WTM Engineers GmbH, Hamburg), die Vorstellung einer ca. 1000 Meter langen Behelfsbrücke für den Südschnellweg Hannover durch Dr.-Ing. Waldemar Krakowski (Emch+Berger, Hannover) und Dipl.-Ing. Lothar Weinreich (Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr) sowie ein Vortrag über den Rückbau der längsten Schrägseilbrücke in Deutschland, der zahlreiche nicht vorhersehbare Überraschungen barg (präsentiert von Daniel Haussner, M. Eng. und Dr. Bernd Püstow, HOCHTIEF Infrastructure GmbH, Essen), rundeten das Fachprogramm ab. Das 34. DBBS wartete zudem mit zwei besonderen Programmpunkten auf. Ein Höhepunkt war die Preisverleihung des studentischen Wettbewerbs „Entwurf einer ressourceneffizienten Geh- und Radwegbrücke am Südpark in Dresden“, betreut von Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx (TU Dresden). Außerdem nahm Ruben Langer, Bauingenieur und Slackliner, die Gäste mit in eine ganz andere Welt. Mit der seinerzeit längsten sturzfreien Begehung einer Highline (2130 m in bis zu 600 m Höhe) gab er ein spannendes Beispiel für eine Brücke in ihrer minimalistischsten Form.
Das 34. Dresdner Brückenbausymposium bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wertvolle Fachinformationen mit einer übersichtlichen angeordneten Infoständen der Büros und Unternehmen in den Messehallen und Gängen. Die angrenzende Fachausstellung mit über 90 teilnehmenden Firmen, die nahezu alles Aspekte rund um das Thema Brückenbau abdeckten, war sehr gut besucht und wurde rege zum Netzwerken genutzt und bot praxisnahe Einblicke, eine hervorragende Plattform für den Austausch zu aktuellen Entwicklungen im Brückenbau.
Zeiht man ein Fazit so ist es den Kuratoren Prof Steffen Marx und Prof. Manfred Curbach, gelungen aus den beengten Räumen im Audimax des TU- Campus eine vielbeachtete Fachveranstaltung zu etablieren. Die rund 1800 Teilnehmer und Gäste zeigen den Organisatoren, daß sie auf dem richtigen Weg sind. Die Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises 2025 am Vorabend unterstrich öffentlichkeitswirksam die herausragenden Leistungen der Ingenieurinnen und Ingenieure in der „Königsdisziplin Brückenbau“ und der Infrastrukturentwicklung.
Fotos: Presse Hamburg/Dresden B. Heck (3)
